Nach nunmehr 13 Jahren soll die altbekannte Maschinenrichtlinie 2006/42/EG (MRL) von der EU-Maschinenverordnung (EU-MVO) abgelöst werden. Ein Entwurf zur neuen
EU-MVO wurde von Vertretern der EU-Mitgliedsstaaten in Arbeitsgruppen des Europäischen Rates über einen Zeitraum von 18 Monaten detailliert geprüft und angepasst.
Am 15. Dezember 2022 erzielten die Vertreter des europäischen des Parlaments und Rates eine vorläufige Einigung über eine neue EU-Maschinenverordnung, die die derzeitige MRL 2006/42/EG ersetzen und Anforderungen an die Konstruktion von Maschinen an neue Marktentwicklungen und Risiken durch neue Technologien anpassen soll.

Als Hersteller oder Importeur von Maschinen für den europäischen Wirtschaftsraum werden Sie unmittelbar betroffen sein. Daher empfehlen wir, sich rechtzeitig mit den neuen Anforderungen der EU-MVO auseinanderzusetzen. Nur wenn Sie nach Inkrafttreten der neuen EU-MVO die entsprechenden Anforderungen erfüllen, dürfen Sie Ihre hergestellten Maschinen weiterhin auf dem europäischen Binnenmarkt bereitstellen, verkaufen oder importieren.

Richtlinie vs. Verordnung

Bislang wurde das Inverkehrbringen von Maschinen durch eine europäische Richtlinie geregelt. EU-Mitgliedsstaaten mussten die Anforderungen dieser Richtlinie in nationale Gesetze überführen. In Deutschland wurden die Anforderungen der MRL 2006/42/EG durch die 9. ProdSV rechtskräftig. Die Richtlinienregelung führte in der Vergangenheit allerdings zu unterschiedlichen Auslegungen und Rechtsunsicherheiten.

Durch die Überführung einer Richtlinie zur Verordnung verändert sich nun der Rechtscharakter. Dadurch wird eine EU-weit einheitliche Auslegung und unmittelbare Umsetzung der Anforderungen ermöglicht. Die Anforderungen der EU-MVO gelten nunmehr bei Veröffentlichung für alle EU-Mitgliedsstaaten direkt. Eine Umsetzung in nationales Recht,
z. B. in Deutschland durch die neunte Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz (Maschinenverordnung – 9. ProdSV), entfällt
. Dadurch entfallen Rechtsunsicherheiten und es sind jederzeit dynamische Anpassungen der Anforderungen seitens der EU-Gesetzgeber möglich.

Anpassung an den New Legislative Framework (NLF)

Die seit Langem ersehnte Anpassung des europäischen Maschinenrechts an den New Legislative Framework (NLF) ist ein Hauptthema der neuen EU-MVO. Seit Inkrafttreten des NLF ab dem 01.01.2010 gelten EU-weit Definitionen wie z. B. Bereitstellung auf dem Markt oder Einführer, die nun auch vom Maschinenrecht erfasst werden.

Inkrafttreten und Stichtagsregelung

Ein genaues Datum zum Inkrafttreten steht aktuell noch nicht fest. Das Inkrafttreten der Maschinenverordnung wird durch eine Veröffentlichung im Amtsblatt der europäischen Union festgelegt. Wir gehen davon aus, dass eine Veröffentlichung im EU-Amtsblatt im April/Mai 2023 stattfinden wird. Aktuell sieht die europäische Arbeitsgruppe eine Stichtagsregelung vor. Laut aktueller Einigung wird der Stichtag 42 Monate nach Inkrafttreten (= Veröffentlichung im EU-Amtsblatt) festgelegt. Der Stichtag wäre demnach also im Herbst 2026. Nach dem Stichtag sind die Anforderungen der neuen EU-MVO verpflichtend zu erfüllen.

Wesentliche Modifikation

Gemäß Art. 3 Abs. 16 EU-MVO ist das Thema „wesentliche Modifikation” („substantial modification“) Bestandteil des Maschinenrechts. Die Bedeutung einer „wesentlichen Änderung” wurde bisher nur im Blue Guide (Leitfaden zur Umsetzung der Produktvorschriften) und in Deutschland durch ein Interpretationspapier des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales verdeutlicht. Zukünftig wird die Bedeutung auch im europäischen Maschinenrechts abgedeckt werden. Die EU-MVO definiert eine wesentliche Modifikation wie folgt: „… eine vom Hersteller nicht vorhersehbare oder geplante physische oder digitale Veränderung einer Maschine oder eines verwandten Produkts nach Inverkehrbringen oder Inbetriebnahme, durch die die Sicherheit durch Schaffung einer neuen Gefahr oder Erhöhung des Risikos beeinträchtigt wird und die zusätzliche Schutzmaßnahmen erfordert“.

Sind Sie z. B. Betreiber einer Maschine und führen eine wesentliche Modifikation durch, belegt Sie die EU-MVO mit den Pflichten eines Herstellers, z. B. mit dem Durchführen einer Konformitätsbewertung für die modifizierte Anlage oder Maschine.

Security und Risiken im Zusammenhang mit digitalen Technologien

Im Sinne von Art. 3 Abs. 3 EU-MVO wird Software fortan als Sicherheitskomponente definiert. Security wird zur Herstellerpflicht. Als Hersteller von Maschinen müssen Sie Risiken betrachten, die sich aus der Nutzung digitaler Technologien und vernetzter (smarter) Maschinen ergeben können.

Risiken aus digitalen Technologien können sich ergeben aus:

  • Mensch-Roboter-Zusammenarbeit (Kollaborative Roboter – Cobots)
  • Maschinen, die mit dem Internet verbunden sind (Hacker-Angriffe, Viren, Trojaner)
  • Auswirkungen von Softwareupdates
  • Autonome Maschinen
  • Fernüberwachungsstationen
  • Manipulation durch den Anschluss und die Kommunikation mit anderer Hardware

Zukünftig besteht eine Verpflichtung, die Gefahren durch digitale Technologien, die sich durch bestimmungsgemäße Veränderung des Verhaltens oder einer veränderlichen Logik (autonomer Betrieb) ergeben, zu ermitteln und zu bewerten.

Es sind Sicherheitsmaßnahmen gegen Risiken zu treffen, die sich absichtlich aus böswilligen Handlungen Dritter und unbeabsichtigt aufgrund von Fehlverhaltens des Personals ergeben können und die negativen Einfluss auf die Maschinensicherheit haben.

Security ist eines der wichtigsten Hauptthemen der neuen EU-MVO. Hersteller von vernetzten Maschinen sollten sich hier gut vorbereiten, da den Herstellern auch Anforderungen aus anderen Rechtsbereichen (z. B. Cyber Resilliance Act, Funkgeräterichtlinie) gestellt werden.

Digitale Betriebsanleitungen

Für Maschinen, die zwischen Geschäftskunden (B2B) gehandelt werden, sind zukünftig digitale Betriebsanleitungen mit Einschränkungen erlaubt. Digitale Betriebsanleitungen müssen grundsätzlich downloadbar und druckbar sein. Eine gedruckte Fassung der Betriebsanleitung muss allerdings auf Wunsch des Endkunden binnen sechs Monaten ab Kauf nachgeliefert werden.

Sollten Sie als Hersteller von Maschinen Ihre Betriebsanleitung digital zur Verfügung stellen, müssen Sie auf der Maschine oder in einem Begleitdokument angeben, wie auf die digitalen Anweisungen zugegriffen werden kann und klar beschreiben, welche Version der Betriebsanleitung der Maschine entspricht. Weiterhin muss die Dokumentation während der voraussichtlichen Lebensdauer der Maschine, aber nicht kürzer als 10 Jahre, abrufbar sein.

Für „non-professional-Users“ (Verbraucher) besteht eine Verpflichtung, eine Kurzanleitung mit den wesentlichen Sicherheitsinformationen in gedruckter Papierform zur Verfügung zu stellen.

Bewertung von Maschinen mit hohem Risikopotential

Maschinen mit hohem Risikopotential (sog. Hochrisikomaschinen), die einer Konformitätsbewertung durch eine notifizierte Stelle unterliegen, werden in der aktuellen Maschinenrichtlinie 2006/42/EG in Anhang IV aufgelistet.

Zukünftig werden die Hochrisikomaschinen in Anhang I der neuen EU-Maschinenverordnung aufgelistet. Die EU-Maschinenverordnung sieht sechs Maschinenkategorien für Maschinen mit hohem Risikopotential vor. Die EU-Kommission kann zukünftig die Klassifizierung für Hochrisikomaschinen unter Berücksichtigung der neuesten technischen und wissenschaftlichen Erkenntnisse dynamisch anpassen.

Hersteller, deren Maschinen nicht unter Anhang I der neuen EU-MVO fallen, verwenden weiterhin das Konformitätsbewertungsverfahren nach interner Fertigungskontrolle (Modul A). Fallen die Maschinen unter Anhang I der neuen EU-MVO, wird zwischen zwei Subtypen (Typ A und Typ B) unterschieden. Für diese Subtypen sind dann unterschiedliche Konformitätsbewertungsmodule gemäß dem europäischen Beschluss 768/2008/EG heranzuziehen.

Konformitätsvermutung für unvollständige Maschinen

In der neuen EU-MVO wird nun auch eine Konformitätsvermutung für unvollständige Maschinen („partly completed machines“) definiert. Erfüllen unvollständige Maschinen die Anforderungen der entsprechenden harmonisierten Normen, wird davon ausgegangen, dass die unvollständigen Maschinen den grundlegenden Gesundheits- und Sicherheitsanforderungen für unvollständige Maschinen gemäß EU-MVO entsprechen. Die MRL 2006/42EG legte Ihren Fokus bisher nur auf (vollständige) Maschinen. Für unvollständige Maschinen muss eine EU-Einbauerklärung erstellt werden, die in ihrem Aufbau dem Muster in Anhang V der EU-MVO entspricht.

Verfügbarkeit von Konformitätserklärungen

Aus einer EG- wird eine EU-Konformitätserklärung – jetzt endlich auch für Maschinenprodukte. Gemäß EU-MVO müssen Hersteller sicherstellen, dass dem Maschinenprodukt entweder die EU-Konformitätserklärung gemäß Anhang V Teil A oder eine Internetadresse beigefügt ist, unter der die EU-Konformitätserklärung abgerufen werden kann. Eine weitere Möglichkeit ist die Aufnahme der EU-Konformitätserklärung in die Betriebsanleitung gemäß Anhang III Abschnitt 1.7.

Die digitale Internetadresse, unter welcher die EU-Konformitätserklärung abrufbar ist, muss mindestens 10 Jahre nach Inverkehrbringen oder Inbetriebnahme der Maschine verfügbar bleiben.

Ausblick

Der genaue Veröffentlichungstermin der neuen EU-Maschinenverordnung im EU-Amtsblatt und dadurch das Datum des Inkrafttretens steht aktuell noch nicht fest. Wir vermuten eine Veröffentlichung im April/Mai 2023. Anschließend ist auch der finale Text und der exakte Stichtag im Herbst 2026 bekannt, ab welchem das Einhalten der Anforderungen der neuen EU-Maschinenverordnung verpflichtend ist.

Wir werden Sie über die Entwicklungen auf dem Laufenden halten.