Oft stellt sich – insbesondere bei Werkzeugherstellern – die Frage: Ist ein bestimmtes Produkt ein Werkzeug oder eine auswechselbare Ausrüstung? Die Antwort auf diese Frage ist überaus wichtig, da beide Fälle unterschiedliche Anforderungen an das Inverkehrbringen des Produkts stellen.
Definition „auswechselbare Ausrüstung“
Die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG definiert die auswechselbare Ausrüstung im Artikel 2b):
„eine Vorrichtung, die der Bediener einer Maschine oder Zugmaschine nach deren Inbetriebnahme selbst an ihr anbringt, um ihre Funktion zu ändern oder zu erweitern, sofern diese Ausrüstung kein Werkzeug ist“.
Definition „Werkzeug“
Gemäß Artikel 2 der Maschinenrichtlinie ist ein Werkzeug keine auswechselbare Ausrüstung. Werkzeuge werden vom Anwendungsbereich der Maschinenrichtlinie nicht erfasst.
Die Maschinenrichtlinie definiert Werkzeuge nicht direkt. Der Begriff „Werkzeug“ wird lediglich vom Leitfaden zur Anwendung der Maschinenrichtlinie näher erläutert – als einfache Werkzeuge, die an einer Maschine angebracht werden können, wie z. B. Werkzeuge zum Schneiden, Bohren etc.
Grundsätzlich kann man unter einem Werkzeug ein Hilfsmittel verstehen, dass „ein in direkter Berührung mit dem zu bearbeitenden Gegenstand oder Werkstoff stehendes Fertigungsteil, wie Bohrer, Schleifscheiben, Sägeblätter, Bohrmeißel für Drucklufthämmer …“ ist.
Diese europäisch abgestimmte Erläuterung entstammt noch der Protokollerklärung zur Richtlinie 91/368/EWG (1. Änderungsrichtlinie zur ursprünglichen Maschinenrichtlinie 89/392/EWG).
Die Definition „Werkzeug“ trifft sicherlich auf die meisten „einfachen“ Werkzeuge zu, die beispielsweise für den Einsatz in Bearbeitungszentren vorgesehen sind. Aber auch hier bleibt noch zu bewerten, ab wann ein „komplexes“ Werkzeug vorliegt:
- Wird die Funktion der Maschine durch den Einsatz des Werkzeugs erheblich erweitert?
- Ist das Werkzeug so gestaltet, dass eine extern zugeführte Energiequelle erforderlich ist, um das Werkzeug zu betreiben?
- Muss das Schutzkonzept der Basismaschine erweitert werden, um das Werkzeug einzusetzen?
Treffen eine oder mehrere dieser Fragestellungen zu, kann nicht mehr von einem „einfachen“ Werkzeug gesprochen werden. Dann kommt mindestens die Definition als auswechselbare Ausrüstung oder gar Maschine im Sinne der Maschinenrichtlinie in Betracht.
Werkzeuge und Formen für Pressen oder Spritzguss- oder Druckgussmaschinen
Bei Werkzeugen, Formen und Gesenken für Pressen, Spritzguss- und Druckgussmaschinen hat sich der DGUV-Fachbereich Holz und Metall so weit positioniert, dass er „einfache“ Formen und Gesenke nicht als auswechselbare Ausrüstungen oder (unvollständige) Maschine betrachtet und diese somit als eher „einfache“ Werkzeuge vom Anwendungsbereich der Maschinenrichtlinie ausschließt (siehe auch DGUV-Schrift FBHM-068 v. 30.11.2018). Aber auch hier wird im Gegensatz dazu der Begriff eines „komplexen“ Werkzeugs, z. B. ein Werkzeug mit eigenen Antrieben, eingeführt, das aufgrund seiner Eigenschaften als auswechselbare Ausrüstung eingestuft werden muss. Hierbei dürften als Entscheidungskriterien ebenfalls die drei oben aufgeführten Fragen zu einem komplexen Werkzeug zum Tragen kommen.
Was bedeutet dies für das Inverkehrbringen?
Bei einer Einstufung eines Produkts als auswechselbare Ausrüstung nach Maschinenrichtlinie 2006/42/EG muss beim Inverkehrbringen das Konformitätsbewertungsverfahren gemäß dieser Richtlinie inklusive aller Dokumentations- und Kennzeichnungspflichten wie für eine vollständige Maschine angewendet werden.
Bei einer Einstufung des Produkts als Werkzeug entfällt das Konformitätsbewertungsverfahren nach Maschinenrichtlinie und auch die CE-Kennzeichnung. Allerdings fällt das Werkzeug unter das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) und Produkthaftungssetz (ProdHG) und muss somit nach dem Stand der Wissenschaft und Technik sicher sein.
Die Begleitdokumente zum Werkzeug müssen den sicheren Einbau und die erforderlichen Systemvoraussetzungen (notwendige Energiebereitstellung und Anschlüsse) beschreiben.